Das Weingut Can Roda: Geheimtipp vor den Toren von Barcelona
Langsam holpert unser Auto über die schmale Bergstraße, vorbei an großen, alten Bäumen, die mehr an Deutschland als an Spanien erinnern. Hätte ich nicht eben noch Barcelona am Autofenster vorbeiziehen sehen, könnte ich wohl kaum glauben, dass wir hier nur eine Viertelstunde von der Stadt entfernt sind. Während wir ein großes schmiedeeisernes Tor passieren, auf dem in rostigen, verschlungenen Buchstaben “Can Roda” zu lesen ist, sehen wir uns erleichtert an, waren wir uns bis eben doch nicht ganz sicher, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden.
Das Weingut Can Roda
Eine Adresse haben wir nicht, die gibt es auch gar nicht. So lassen wir uns von Koordinaten zum Weingut im D.O. Alella, dem kleinsten Weinanbaugebiet in Spanien, (D.O. (Denominación de Origen) ist eine Herkunftsbezeichnung für spanische Produkte und spanischen Wein) führen. Wir parken zwischen einem Traktor und einer alten Weinpresse. Kurz darauf stehen wir vor Pepi, einer kleinen Katalanin mit strahlenden Augen und einem Gesicht voller Lachfältchen. Zusammen mit ihrer Schwester bewirtschaftet Pepi seit einigen Jahren das Weingut Can Roda und das Ganze “Natürlich ökologisch!”.
Die modernistische Finca
Während uns Pepi durch die große modernistische Finca führt und wir die prunkvollen, teils kitschigen, teils wunderschönen Einrichtungsstücke aus der Jahrhundertwende betrachten, erzählt sie uns die Geschichte von Can Roda. Es ist eine Geschichte die, so oder so ähnlich, auch im Märchenbuch stehen könnte.
Gebaut wurde das Landgut von der neureichen Familie Bonaplata, die durch den Einsatz der ersten Dampfmaschine in ihrer Textilfabrik nicht nur zu Geld sondern auch zu hohem Ansehen kam. Es war eine goldene Zeit für die Familie, die durch die Wirren der Unruhen, die in und um Barcelona Ende des neunzehnten Jahrhunderts stattfanden, je unterbrochen wurde. Nachdem ihre Fabrik dem Feuer zum Opfer fiel, blieb nur Sebastian Bonaplata, ein Sohn der Familie, auf dem Anwesen zurück. Man könnte meinen, das die Geschichte des Landgutes hiermit beendet gewesen sei, doch weit gefehlt, beherbergte das Haus doch in den folgenden Jahren immer wieder den spanischen König Alfons XIII, der angeblich eng mit Sebastian befreundet war.
Gespannt lausche ich Pepis Geschichte und streiche dabei gedankenverloren über eines der prunkvollen Sofas. Es scheint mir, als wäre die Zeit im Haus um die Jahrhundertwende stehengeblieben und so frage ich Pepi, ob Sebastian der letzte Bewohner des Hauses war. Sie schüttelt mit dem Kopf. Bis vor ein paar Jahren hat das letzte Familienmitglied der Bonaplatas, eine inzwischen über hundert Jahre alte Frau, noch hier im Landgut gewohnt. Pepis Vater half ihr zu der Zeit schon lange mit dem Haus und den Weinbergen. Als die alte Dame sich dann von ihrem Zuhause trennen musste, übernahm Pepis Schwiegervater das große Anwesen. Irgendwann wurde die harte Arbeit in den Weinbergen aber auch für ihren Vater zu schwer und so entschloss sich Pepi zusammen mit ihrer Schwester Maria die Bewirtschaftung des Anwesens weiterzuführen.
Schon lange wurde in Can Roda Wein angebaut, ohne die Trauben selbst zu verarbeiten. Das wollten die Schwestern, die aus dem Nachbardorf stammen, ändern. Mit viel Enthusiasmus begannen die beiden die alten Weinstöcke zu pflegen, Neue anzupflanzen und in kleinen Margen ihren eigenen Wein, Sekt und Wermut herzustellen.
Picknick im Weinberg
Nach Pepis spannender Geschichte treten wir hinaus ins Freie. Maria drückt jedem von uns noch schnell eine Pappschachtel und einen Sonnenhut in die Hand und schon wandern wir über einen kleinen verschlungenen Trampelpfad den Weinberg hinauf. Es geht vorbei an duftenden Wildkräutern und üppig blühenden Blumen, dabei erklärt uns Pepi die verschiedenen Rebsorten, die hier wachsen. Es fällt mir schwer, ihr zuzuhören, bin ich in Gedanken immer noch bei der letzten Bewohnerin des Hauses. Die Vorstellung, dass die alte Dame wie in der Zeit stehen geblieben alleine in den herrschaftlichen Räumen residierte, stimmt mich melancholisch. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt mir aber nicht, reist mich der Anblick von Maria, die aus alten Paletten und Strohballen zischen den Weinstöcken einen Picknickplatz für uns aufbaut, doch je aus meinen Tagträumen.
Nun dürfen wir auch die Pappschachteln öffnen, die wir bei uns tragen und staunen nicht schlecht, über die vielen, liebevoll angerichteten Leckereien, die sich darin verstecken. Selbstgemachte Chips, Kartoffelsalat, Kroketten, ein kleines Schinkensandwich, ein Döschen mit Muscheln und ein kleines Fläschchen Wermut, dazu ein Glas mit erfrischendem Weißwein und dazu kommt die herrliche Aussicht über die Weinberge hinab ins Tal. Bis auf das Zirpen der Grillen und das Zwitschern der Vögel ist es hier absolut ruhig.
Viel zu früh machen wir uns wieder auf den Rückweg. Nach einem kurzen Abstecher zu den Schildkröten, die in der Nähe des Hauses im Springbrunnen leben und einem Besuch bei den Hühnern und Schwänen, zeigt uns Pepi das große Wassersammelbecken des Hauses. Durch die großen Trockenperioden im Sommer und die Struktur des Bodens müssen die Weinstöcke, um an Wasser zu gelangen, tiefe Wurzeln ausbilden, zusätzlich werden die Reben auch mit Wasser aus den nahen Bergen versorgt. Früher wurde das Becken auch von den Frauen aus den umliegenden Dörfern genutzt, die hier ihre Wäsche wuschen.
Lunch im Weingut Can Roda
Über einen mit hohen Zypressen gesäumten Weg schlendern wir auf ein kleines Wäldchen zu. Hier fühlt sich Can Roda auf einmal wie die Toskana an. Zwischen den Bäumen erwartet uns die nächste Überraschung in Form einer wunderschönen, festlich gedeckten Tafel an der wir uns durch die anderen Weine und den Cava von Can Roda probieren dürfen.
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Gut zu Wissen
Das Weingut Can Roda ist ein wunderbares Ausflugsziel für alle, die der Hektik von Barcelona für ein paar Stunden entfliegen wollen. Nur ca. 15 Autominuten von der Stadt entfernt, versteckt sich hier ein wahrer Geheimtipp in den Bergen.
Meldet euch für eine Besichtigung sicherheitshalber vorher an, erwähnt dabei am besten auch, dass ihr euch das Haus anschauen möchtet. Das steht normalerweise nicht für Besucher offen. Pepita zeigt es aber sehr gerne, wenn sie Zeit hat.
E-Mai: info@cellercanroda.cat
Website: Website Weingut Can Roda
Anfahrt: über die Hauptstraße in Santa Maria de Martorelles.
BV-5006/ 08106 Santa Maria de Martorelles/ Barcelona
Eine genaue Adresse gibt es nicht, haltet euch am besten an folgende GPS Koordinaten:
GPS Koordinaten: X: 2.245081, Y: 41.522540
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Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.