Rundreise entlang der Loire // Schloss Azay-le-Rideau und Château de l’Aulée
Château de l’Aulée
Ich stehe alleine auf dem staubigen Vorplatz des Schlosses. Spitze Steine piksen durch die dünne Sohle meiner Turnschuhe. Vor mir ziehen sich die Weinreben, Reihe um Reihe über die hügelige Landschaft, über mir spannt sich der blaue Himmel, hinter mir liegt das Château de l’Aulée. Ein Hauch von Rosa zieht sich über die leicht bröckelnde Fassade. Morbider Charme, der mich verzaubert. Gerade habe ich hier im kleinen Weingut die leichten Weine der Region verkostet und im winzigen Weinkeller einen Film über die Weinproduktion des Schlosses gesehen, nun zieht es mich hinaus in die Landschaft. “Du kannst den Pfad durch die Weinberge gar nicht verfehlen”, gibt mir Tatiana zusammen mit einem Audioguide mit auf den Weg.
Wanderung durch die Weinberge
Über Stock und Stein laufe ich durch die knorrigen Reben, die an der Last ihrer großen Trauben schwer zu tragen haben. Es ist September, die Zeit der Weinlese. Langsam tuckert ein vollbeladener Traktor auf mich zu. “Bonjour Madame!”, ruft mir der Fahrer freundlich zwinkernd zu, ich winke lächelnd zurück und trete auf dem schmalen Weg zur Seite.
Himmelsballett: wenn Natur Theater spielt
Immer weiter wandere ich durch die geordnete Natur. Kulturlandschaft von Menschen geprägt. Mit jedem Schritt den ich mich vom Château de l’Aulée entferne, wird es ruhiger, zu ruhig. Nicht nur die Rufe der Weinbauern und das Brummen der Motoren sind verstummt, die Vögel, die gerade noch ihre Arien schmetterten, sind nicht mehr zu hören, keine Insekten summen, selbst der Wind bleibt stumm. Es scheint, als befände sich die Natur in gespannter Erwartung. Über mir verdunkelt sich plötzlich der Himmel. Da wo sich gerade noch eine hellblaue Decke über mir wölbte, hängt nun eine kleine, dunkelgraue, fast schwarze Wolke. Schon fallen die ersten kalten Tropfen, zu Beginn kaum merklich, dann immer schneller, immer größer.
Der Weg zurück zum Château de l’Aulée scheint mir zu weit, auch wenn ich die rosa Fassade in der Ferne gut erkennen kann. Um nicht pitschnass zu werden, renne ich stattdessen zu einer nahen Baumgruppe, die die Grenze des Weingutes markiert und finde unter den kleinen Blättern einer stattlichen Birke wenigstens etwas Schutz. Ich warte: 5 Minuten, 10 Minuten, 20 Minuten… Immer wenn ich denke, dass der Regen nachlässt, wird es wieder schlimmer.
Château de l’Aulée, in Blickweite und trotzdem zu weit weg.
Nun öffnet der Himmel seine Schleusen vollständig und verwandelt den Boden in eine große Wasserfläche. Das Trommeln der Tropfen hört sich an wie aufbrandender Applaus, schon zuckt der erste Blitz über den Himmel, begleitet von lautem Donnerschlag. Ich presse mich an den Birkenstamm. “Birken sollst du suchen, Eichen sollst du weichen” geistert durch meinen Kopf. Vollkommener Quatsch, ich weiß. Trotzdem bleibe ich unter den Bäumen, unter meiner Birke stehen, der höchste Punkt zwischen den Weinreben zu sein, scheint mir nicht die beste Alternative. Blitz um Blitz tanzt zum Takt des Donners über den Himmel. Ein wildes Ballett voller aberwitziger Figuren und Pirouetten. Mit einer Hand taste ich nach meinem Handy und versuche im Weingut anzurufen. Vielleicht kann mich jemand mit dem Auto abholen? Statt des erlösenden Freizeichens höre ich jedoch nichts. Kein Empfang. Entnervt stecke ich das nutzlose Telefon weg und greife zur Kamera. Das vertraute Gefühl in der Hand gibt mir Sicherheit.
Selfies: Was man halt so macht, wenn man Angst hat…
Die Minuten ziehen sich wie Stunden. Das kleine, inzwischen pechschwarze Wölkchen, steht unerbittlich genau über mir. Rundherum strahlt der Himmel in freundlichen Blau. Mit einem ohrenbetäubenden Knall zuckt der letzte Blitz über den Himmel. Die Primaballerina führt ihr großes Finale auf. Kurz herrscht Ruhe. Ich löse mich von meiner Birke und laufe ein paar Schritte auf das Château de l’Aulée zu. Plötzlich prasseln Hagelkörner auf meinen Kopf, erst nur wenige Millimeter groß, dann mit einem Durchmesser von einem Zentimeter. Die Natur setzt zur Zugabe an. Mit meinem ganzen Körper presse ich mich an den Baum, die Hände schützend über den Kopf gelegt.
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Azay-le-Rideau
Ich schließe die Augen und denke an den Vormittag, den ich im wunderschönen Schloss Azay-le-Rideau verbracht habe.
Die Geschichte des Schlosses
Stundenlang war ich durch den Schlosspark spaziert, hatte staunend das erst im Sommer 2017 renovierte Château Azay-le-Rideau erkundet und mich von der Wasserspiegelung die schon Honore de Balzac begeisterte, verzaubern lassen. Als „Un diamant taillé à facettes serti par l’Indre“, “Ein geschliffener Diamant, vom Indre gefasst”, beschrieb der große Geist einst das Wasserschloss im Centre-Val de Loire.
Bereits im 12. Jahrhundert stand an dieser Stelle eine Burg, dessen bekanntester Eigentümer, eigentlich Rideau oder Ridel d´Azay genannt, landläufig nur als „Teufelssohn“ bezeichnet wurde. Ein Name, den er sich sicher nicht durch übermäßige Güte verdiente. Jahre später wurde das Anwesen dann von Karl II. aus Rache für eine Beleidigung niedergebrannt.
1510, knapp 100 Jahre später, begann Gilles Berthelot der Bürgermeister von Tours, mithilfe der finanziellen Mittel seiner Frau, auf den Überresten der Burg mit dem Bau eines Schlosses im italienischen Stil, dass seinen neuen Adelsstand untermauern sollte. Er wird die Vollendung seines Schlosses jedoch nie erleben. Gebeutelt durch einen Finanzskandal, ergriff Berthelot 1527, vor Fertigstellung, die Flucht. Erst durch den neuen Besitzer Franz I., dem Befehlshaber der königlichen Wache, dessen Nachkommen das Anwesen bis in 18. Jahrhundert bewohnten, wurden die Bauarbeiten abgeschlossen.
Am Schlosstor lässt sich die wechselhafte Geschichte des Anwesens gut erkennen. An der Wand prangt das Wappen des Königs Franz I. (Salamander), der Königin (Hermelin) und die Initialen der Bauherren Gilles und Philippe Berthelot (nicht auf dem Bild).
Der Schlosspark
Im Jahr 1791 erwarb Charles de Biencourt das heruntergekommene, von der Revolution stark geschädigte Schloss und gab ihm zusammen mit seiner Familie den verlorenen Glanz zurück. Sie rissen die Ruinen rund um Azay-le-Rideau ab, ließen die benachbarten Wiesen trockenlegen, importieren Pflanzen aus fernen Ländern und legten den romantischen Park an.
Schloss Azay-le-Rideau besichtigen
Heute gilt das Schloss von Azay-le-Rideau, das auf einer kleinen Insel im Indre liegt, als Meisterwerk der Architektur des 16. Jahrhunderts. Durch die umfassenden Restaurationsarbeiten des Parks, des Dachs und der Fassade erlebte das Schloss in den letzten Jahren eine erneute Renaissance. Im mit historischen Möbeln des 19. Jahrhundert ausgestatteten Erdgeschoss kann man seitdem im ́Salon des Marquis de Biencour ́, der Küche, dem Esszimmer, der Bibliothek und dem Billardsaal, in das Leben der Familie Biencourt eintauchen.
Einen ganz besonderen Zauber entfalten aber die Kunstwerke der Künstler Piet.sO und Peter Keene im ersten Stock des Schlosses. Mit mechanischen Installationen, die mich an Steampunk Kunstwerke erinnern, können Besucher hier in eine Märchenwelt rund um die Figur der Psyche eintauchen und Azay-le-Rideau aus einer neuen Perspektive erleben.
Mein Freund der Baum
Frierend und durchnässt schlage ich die Augen auf. Konzentriert horche ich in das Klappern des Hagels. Leise höre ich das erste Zwitschern eines Vogels in das langsam immer mehr Stimmen einfallen. Prompt verwandelt sich die letzten Hagelkörner in Regentropfen. Ein letztes Applaudieren der Natur bevor die Vorstellung endgültig zu Ende geht. Liebevoll streichel ich meiner Birke zum Abschied über den zerklüfteten Stamm. In der letzten Stunde sind wir Freunde geworden.
Himmelsballett überm Château de l’Aulée
Gut zu Wissen
Infos zum Schloss Azay-le-Rideau
Öffnungszeiten: Genaue Öffnungszeiten könnt ihr hier finden.
Führungen & Audioguide: Führungen werden ganzjährig in Französisch, im Sommer auch in Englisch angeboten. Der Audioguide ist in Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch erhältlich und kostet 3 €
Eintrittspreise Erwachsene: 10 €, ermäßigt: 8 €, kostenloser Eintritt für Kinder unter 18 Jahren, EU-Bürger zwischen 18 und 25 Jahren, Personen mit Behinderung
Anfahrt: Am einfachsten ist Azay-le-Rideau mit dem Auto zu erreichen. Von Tours kommend: Ausfahrt 11, dann D751 Richtung Chinon von Poitiers: N10 bis Sainte Maure, dann D760 und D57 bis Azay-le-Rideau. Kostenlose Parkplätze sind vorhanden. Außerdem kann man Azay-le-Rideau mit dem Bus von Tours aus erreichen (Fahrdauer: ca. 25 Minuten)
Infos zum Château de l’Aulée
Informationen zu Anfahrt, Öffnungszeiten und Führungen könnt ihr hier nachlesen.
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Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
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