Die Kunst der Langsamkeit in Brandenburg- Unterwegs rund um den Werbellinsee und Kloster Chorin
Mit leisem Glucksen schwappt das Wasser gegen meine Unterschenkel, während kleine Barsche an meinen Zehen knabbern. Vor mir zieht ein Segelboot langsam seine Bahnen über den See. Das weiße Segel flattert genauso im Wind, wie die Möwen über meinem Kopf. Passend zum Fontanejahr möchte ich es in den nächsten Tagen dem großen Dichter gleichtun und durch Brandenburg wandern.
Das Fontane Hotel am Fontaneplatz
Rund um den Werbellinsee
Langsam laufe ich zurück auf die schmale Straße, die Altenhof mit Eichhorst verbindet. Zwischen den hohen Laubbäumen, die an diesem warmen Sommertag herrlichen Schatten spenden, kann ich immer wieder das Wasser erahnen. Ein paar Meter vor mir hoppelt ein Hase über den Weg, schaut mich kurz an und zieht dann unbeeindruckt von dannen, während ich in Gedanken abschweife.
Viel zu lang ist mein letzter Besuch am Werbellinsee her. Als Kind habe ich hier eine Woche im Ferienlager EJB Werbellinsee, der ehemaligen Pionierrepublik, verbracht. Meine Erinnerungen sind durchzogen vom typischen Grau der Nachwendezeit. Eisessen am See, Wanderungen bei Niesel durch den Wald, farblose Häuser und Softeis auf die Hand. Nun versuche ich die Bilder abzugleichen. Vieles hat sich verändert, doch das Glück in den Augen der Menschen, die mit nassen Haaren und von der Sonne geröteten Wangen vom See kommen, ist geblieben.
Schleuse Eichhorst
Nach gut 6 km Wanderung taucht die Schleuse Eichhorst vor mir auf. Ausgestattet mit einem Eis, beobachte ich eine Zeitlang die vielen Kanus und Boote, die heute die halbautomatische Schleuse passieren, bevor ich weiter Richtung Wildau laufe.
Askanierturm
Kurz vor Wildau gabelt sich der Wanderweg an der Brücke beim Askanierturm. Passiert man die Brücke, gelangt man linke Hand zum Campingplatz Süßer Winkel. An heißen Tagen bietet sich hier die kostenpflichtige Badestelle für eine Abkühlung im Werbellinsee an. Ich entscheide mich, dem Weg weiter bis zum Askanierturm zu folgen.
Dort wo der Werbellinsee in den Werbellinkanal übergeht, steht ein Turm, der direkt aus einem Märchen entsprungen sein könnte. Wer sich den Schlüssel zum Turm in der Tourist-Information Eichhorst abholt (von Ostern bis Ende Oktober möglich), kann die wunderschöne Aussicht auf den Südteil des Werbellinsees vom 1879 erbauten Turm genießen.
Wildau
Ich setze mich lieber direkt ans Wasser und beobachte die Boote, die rhythmisch auf den kleinen Wellen wippen. Die Sonne lässt das Wasser unwirklich Türkis scheinen, während kleine Schäfchenwolken über den Himmel ziehen. Schön ist es hier! Da wundert es mich nicht, dass schon Fontane beim Anblick des Werbellinsees ins Schwärmen geriet und ihn als „Märchenplatz“ bezeichnete.
Wer möchte, kann von Wildau mit dem Dampfer der Reederei Wiedenhöft ganz gemütlich zurück nach Altenhof fahren. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, komplett um den See zu wandern. Dabei sollte man aber beachten, dass der Wanderweg vom Ortsbeginn Joachimsthal bis zum EJB gut 5 Kilometer lang auf der stark befahrenen Straße verläuft.
Der Kaiserbahnhof Joachimsthal
Trotzdem lohnt sich besonders ein Abstecher nach Joachimsthal. Ein paar hundert Meter vom See entfernt, befindet dich hier der erste Hörspielbahnhof Deutschlands. Im liebevoll restaurierten Kaiserbahnhof machte einst Wilhelm der II. Station, um im nahen Wald auf die Jagd zu gehen. Heute klingen hier nicht mehr die Jagdhörner, sondern Hörspiele für Kinder und Erwachsene.
Abends am Fontanehotel
Am Abend lasse ich mich, ausgerüstet mit einem Gläschen Wein, in das kühle Gras an der Badestelle des Fontanehotels fallen. Während ich noch nach Eisvögeln Ausschau halte, versinkt die Sonne bereits langsam hinter den Bäumen. Im warmen, orangen Licht planschen Kinder an der seichten Badestelle. Es ist einer dieser langen Sommerabende, die man am liebsten in ein Weckglas füllen und für kalte Wintertage konservieren möchte.
Bis auf den leichten Nebel, der über das Wasser zieht, liegt der See am nächsten Morgen ruhig vor mir. Innerlich verspreche ich mir, am Abend noch ein letztes Mal in das Wasser zu springen, bevor ich Richtung Chorin aufbreche.
Viele Wege führen rund um Chorin
Das Thermometer zeigt bereits 20 Grad. So beschließe ich, den Tag, jetzt wo es noch angenehm ist, mit einer Wanderung zu beginnen. Rund um das historische Kloster Chorin kann man auf vielen Pfaden auf den Spuren der Mönche wandeln. Eigentlich habe ich mir vorgenommen, den alten Weinberg zu besteigen, der mit 89 Metern aus der Landschaft ragt und eine der höchsten Erhebungen des Choriner Endmoränenbogens ist. Schlussendlich lande ich aber auf dem Rundweg Kroneiche, der mich auf gut 6 km durch die dichten Buchenwälder führt.
Das Kloster Chorin
Es ist bereits spät am Vormittag, trotzdem scheint das Kloster Chorin noch gemütlich zu schlafen. Mit großen Augen laufe ich über den menschenleeren Hof auf die Ruine des ehemaligen Zisterzienserklosters zu. Obwohl noch Sommerferien sind, habe ich das Kloster fast für mich alleine und kann ganz in Ruhe die Tafeln im Museum lesen und den spannenden Film über das Leben der Zisterzienser schauen. Fast zwei Stunden schlendere ich durch die große Anlage, lasse im Schatten der alten Mauern die Seele baumeln und träume von dem Leben in längst vergangener Zeit.
Im gemütlichen Klostercafe, dass vom Ökodorf Brodowin betrieben wird, stimme ich mich schließlich auf meinen nächsten Programmpunkt ein, probiere mich durch die leckeren Limonadensorten und lasse mir einen Flammkuchen mit Schafskäse aus Brodowin schmecken. Lecker!
Ökodorf-Brodowin
Zum Nachtisch fahre ich direkt nach Brodowin, wo ich mir mit einem Eis aus dem Hofladen den Demeter-Betrieb anschaue. Von Milch über Käse bis zu Fleisch hier wird alles selbst hergestellt. Nach einem Besuch bei den Kühen, schaue ich mir in der gläsernen Molkerei an, wie Käse produziert wird. Eine große Glasfassade gibt den Blick in die Produktion frei und kleine Tafeln erklären die einzelnen Produktionsschritte. Natürlich wandern auch viele der Brodowiner Produkte in meine Einkaufstasche.
Auf den Spuren der Eiszeit
Mit genügend Proviant für 10 Wandertage klettere ich zum Abschluss meiner Reise über eine steile Treppe auf den kleinen Rummelsberg. Richtig gehört, mit seinen 81 Metern erreicht der Aussichtspunkt für brandenburgische Verhältnisse geradezu schwindelerregende Höhen. Oben angekommen werde ich mit einem wahnsinnigen Rundumblick für die Anstrengung entlohnt. Wohl nirgends sonst, kann man auf so kleinem Raum die verschiedenen Landschaftsformen, die die letzte Eiszeit hinterlassen hat, betrachten. Mein Blick schweift über Seen und den benachbarten großen Rummelsberg zum seltenen kontinentalen Trockenrasen, der sich über die Berghänge zieht. Überall in dem, unter Naturschutz stehenden, Rasen blüht und summt es. In der Luft liegt der Duft des wilden Oreganos, der hier überall wächst. Bis auf das Zirpen der Grillen ist es komplett ruhig. Ich merke gar nicht, wie die Zeit vergeht, während ich den Milan am Himmel beobachte. Zeit spielt hier keine Rolle. In Brandenburg gibt es Wichtigeres.
Noch mehr Brandenburggefühl gibt es hier:
Schiffshebewerk Niederfinow
Ganze 36 m Gefälle überbrückt das beeindruckende Schiffshebewerk Niederfinow. Von der Besucherplattform hat man einen tollen Blick auf die gewaltige Stahlkonstruktion.
Die Eisschleuse
Egal ob für eine Paddelpause oder als Ziel einer Wanderung, die Eisschleuse am Langen Trödel ist der perfekte Ort für alle, die selbst beim Eisschlecken nicht aufs Wasserplätschern verzichten wollen.
Wildpark Schorfheide
Auf dem 100 Hektar großen Gelände des Wildparks, kann man vom Aussterben bedrohte Haustierrassen und heimische Wildtiere beobachten. Besonders spannend: das Wolfsinformationszentrum, das seit kurzem geöffnet hat.
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In unserem Reiseführer “52 kleine & große Eskapaden Fläming, Niederlausitz und Spreewald: Ab nach draußen!” nehmen Inka Chall und ich dich mit auf 52 besondere Touren. Entdecke mit uns durch schmucke Kleinstädte und Dörfer und wandere mit uns durch die Natur. Wir verraten dir unsere Lieblingsplätze und Herzensorte südlich von Berlin.
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Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
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Inhaltsverzeichnis
Hallo Laura,
vielen Dank für diesen schönen Artikel. Ich bin 1969 in Eberswalde geboren und bis zu meinem 16. Lebensjahr in Finow aufgewachsen. Noch heute liebe ich die von Dir beschriebene Gegend und habe schöne Kindheitserlebnisse im Kopf, wenn ich dort unterwegs bin.
Viele Grüße von Bianka