Auf den Spuren der Wisente in der Wisent-Welt am Rothaarsteig
Da die dunkle Jahreszeit nun langsam zu Ende geht, kann ich nun wohl mit Fug und Recht behaupten, das ich letzten Monat mein absolutes Winterhighlight gefunden habe. Doch von vorne: Anfang Januar haben wir auf Einladung von NRW-Tourismus ein Wochenende im Siegerland-Wittgenstein verbracht. Die Reise sollte ganz unter dem Motto #Winterglück stehen, doch statt von schneebedeckten Tannen und verschneiten Bergen wurden wir von Regen und Plusgraden in Empfang genommen. Vom Winterwunderland fehlte jede Spur. Es schien, als hätte man einen Farbfilter über die Landschaft gezogen. Alles war grau und trostlos. Und auch die Vorstellung am nächsten Tag bei diesem Wetter wandern gehen zu müssen, sorgte bei mir nicht gerade für große Heiterkeit (Ja manchmal bin ich aus Zucker!) Meine Laune sank von Minute zu Minute.
Dem entsprechend grimmig schlurfte ich am nächsten Morgen zum Fenster, um das Ausmaß des Elends zu begutachten und wäre dabei fast wieder rückwärts ins Bett gefallen.
Statt grau in grau, erschien die Welt nun komplett schwarzweiß! Die Landschaft war über und über mit glitzerndem Raureif bedeckt. Alles funkelte und strahlte eine enorme Ruhe aus. Auf einmal war es da, das Winterwunderland! In Windeseile packten wir unsere sieben Sachen zusammen und machten uns auf den Weg zur Wisent-Welt am Rothaarsteig (Nicht das sich die Märchenwelt auf einmal in Luft auflöst.)
In der Nähe von Bad Berleburg erwartete uns ein ganz besonderer Ort. Hier wurde Anfang 2013 eine achtköpfige Wisentherde ausgewildert, damit gab es nach über 400 Jahren erstmals wieder freilebende Wisente in Deutschland und Westeuropa. Die Wisentfamilie kann nun komplett frei durch das Rothaargebirge streifen, ohne von Zäunen oder Elektrohalsbändern auf ein bestimmtes Revier eingeschränkt zu werden. Pilzsucher können trotzdem unbesorgt in den Wald gehen. Wisente sind zwar groß und mächtig – aber auch scheu und friedlich. Die Chance die Herde in freier Natur zu sehen, geht wohl fast gegen Null. Um Besuchern trotzdem die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Artenschutzprojekt und den Wisenten zu beschäftigen und wohl auch um Vorurteile und Bedenken abzubauen, lebt in der “Wisent-Wildnis” eine zweite Wisentgruppe auf ca. 20 Hektar. Auf dem Gelände kann man, mit etwas Glück, die Wisente aus nächster Nähe erleben.
Kurz vor 10 fuhren wir bei schönstem Sonnenschein auf den fast komplett verwaisten Parkplatz der Wisent-Welt. Dort bot sich uns ein unglaublicher Blick auf die vollständig mit Eis überzogene, glitzernde Landschaft. Vor lauter Staunen wären wir fast zu spät zu unserer Führung gekommen. So ging es also im Stechschritt zur Wisent Hütte, an der uns die Natur-und Landschaftsführerin Heidi Dickel erwartete. Kurz aufgehalten vom eingefrorenem Eingangsschloss (da sage noch einer es wäre kein Winter 😉 ) betraten wir als erste Gäste des Tages die Wisent-Welt.
Über Stock, Stein und vereistem Boden näherten wir uns langsam dem inneren Gehege in dem die Wisente leben. Während uns Frau Dickel noch erzählte, das es durchaus möglich ist, das sich die Wisente verstecken und dadurch nicht zu sehen sind, nahm ich aus dem Augenwinkel eine wackelnde Tanne war. Und peitschte da nicht auch ein langer Schwanz durch die Luft? Als plötzlich die mit Raureif überzogene Herde aus dem Tannendickicht geschossen (Und das ist nicht übertrieben!) kam, setzten auch wir zum Spurt an. So schnell es die Wanderschuhe hergaben, eilten wir zum Gehegezaun und standen plötzlich direkt vorm Bullen, der wie ein junges Kalb wilde Bocksprünge vollführte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, alleine, nur durch einen dünnen Drahtzaun getrennt, vor diesen kraftvollen Tieren stehen zu können und sie beim ausgelassenen Spielen zu beobachten.
Nach einiger Zeit wanderten die Wisente langsam tiefer in ihr riesiges Gehege und ließen uns staunend und voller Adrenalin zurück. Selbst Frau Dickel, die die braunen Kolosse schon unzählige Male besucht hat, konnte so ein ausgelassenes Verhalten noch nie vorher beobachten. Wir hatten an diesem Morgen riesengroßes Winterglück.
Wohl wissend, dass dieses Erlebnis wahrscheinlich nichts mehr toppen kann, begannen wir, abseits des eigentlichen Rundweges, mit unserer Wanderung um das Wisentgehege. Neben dem circa drei Kilometer langen Rundweg kann man sich in der Wisent-Welt auch abseits von vorgegebenen Pfaden, zwischen dem Außenzaun der das Gelände umschließt und dem inneren Gehegezaun in dem die Wisente leben, komplett frei in der Natur bewegen. Und wenn ich Natur sage, meine ich auch wirklich Natur. Auf kleinen matschigen Trampelpfaden geht es über Wurzeln, Stöcker und Steinen bergauf und bergab. Wenn ihr dabei eine bessere Figur als ich machen wollt, zieht ihr (wasser-)feste Schuhe mit ordentlich Profil an. Mit meinen Winterstiefeln bin ich das ein oder andere Mal äußerst elegant die Abhänge hinunter gerutscht. Für Menschen die nicht so gut zu Fuß sind oder für Familien mit Kinderwagen gibt es die Möglichkeit auf einen kürzeren, leicht zugänglichen Wirtschaftsweg auszuweichen.
Auf der Wanderung um das Gehege öffnen sich ständig neue faszinierende Blickwinkel auf Landschaft, Natur und Wisentherde. Was man hier braucht, ist Zeit. Wer hier möglichst schnell um das Gehege läuft, verpasst das Wesentliche: Natur die ständig anders aussieht, leise schnaubende Wisente, die fast lautlos durch das Unterholz streifen und Besucher neugierig beobachten. Es sind die kleinen Dinge, die den Ausflug hier her ganz besonders machen. Hier geht es nicht um schnelle Unterhaltung, sondern um die direkte Auseinandersetzung mit der Natur und ihrem Schutz.
Nach fast drei Stunden kamen wir nass geschwitzt, außer Atem, mit einem dicken Grinsen im Gesicht und unglaublich glücklich wieder an der Wisent-Hütte an. Diesen ganz besonderen Tag im Januar werden wir wohl alle nie vergessen. Das war pures Winterglück!
Werbung (Affiliate Links)
Mit welchem Reiseführer kann ich Deutschland im Winter entdecken?
Der Reiseführer Reisehandbuch Deutschland im Winter – Reiseführer: Geniale Ausflüge, besondere Events und magische Orte im Herbst und Winter (Geheimtipps von Freunden) ist eine wunderbare (und sehr hübsche) Sammlung von ungewöhnlichen Orten, Events und Ausflügen für echte Winterfans mit vielen Geheimtipps vom Kamelreiten in Bayern bis zu Schlittenfahrten mit Huskies in Brandenburg.
Teile diesen Beitrag auf Pinterest:
Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
9 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar
Inhaltsverzeichnis
Wow, was für tolle Fotos. Ein schönes Erlebnis. Mit dem eleganten Rutschen wäre ich wohl dabei gewesen, ich hätte absolut keine Schuhe für so einen Tripp. Das muss ich mal dringend ändern und auch dahin. Sowas liebe ich ja. Danke für den tollen Tipp und die großartigen Bilder! Lg Haydee
Das klingt wirklich ganz wunderbar und die Bilder sind atemberaubend schön… Lieben Gruß von fee
Ach, schön! Ich war mit NRW Tourismus im Sommer unterwegs, allerdings ganz anders – nicht in die Natur, sondern mitten ins Ruhrgebiet, in alte Zechen und Industriedenkmäler 🙂
Deine Fotos sind so wunderbar geworden – das alles sieht einfach aus wie im Märchen, und so wunderbar friedlich. Man möchte fast, dass der Winter wiederkommt und ewig bleibt, wenn man sich das anschaut…
Wunderschöne Bilder! Da hat sich die Überwindung aufzustehen ja mehr als gelohnt! Ich bin ja gestehender Winterliebhaber, für mich kann es nicht kalt und weiß genug sein.
Liebe Grüße,
Kerstin
Wow! Das klingt ja traumhaft! Haha, dass du am Anfang so gar nicht erfreut warst, kann ich super verstehen. Meine Laune hängt auch immer total vom Wetter ab. Aber die Fotos zeigen, dass es einfach ein Traum war und du hast wirklich ein Händchen für Naturfotografie – großes Lob!
Und was ich einfach am Allertollsten finde ist, dass diese wunderschöne Natur direkt vor unserer Tür im eigenen Land ist und man dafür gar nicht weit reisen muss! 🙂
Vielen Dank für die tollen Inspirationen!
Liebe Grüße
Anna
So schöne Fotos! Die friedlichen Tiere erinnern mich an unsere Erlebnisse mit den Bisons im Yellowstone NP.
Wow, was für schöne Bilder und tolle Stimmung durch den Rauhreif! Ich hätte jetzt nie vermutet, dass das in Deutschland ist 😉
LG
Shaoshi
Das ist ja ein großartiges Wintererlebnis! Die Tiere sind sehr beeindruckend! Und Deine Fotos erst 🙂 Große Klasse! Das macht wirklich Lust, dieses Gehege im Winter zu besuchen. Für so etwas brauche ich nicht einmal meinen inneren Schweinehund überwinden :).
Liebe Laura,
die Fotos sind ja der Hammer! Ich muss unbedingt den nächsten Winter besser für Touren nutzen!
Viele Grüße