Marie Goslich: Auf den Spuren einer außergewöhnlichen Frau im Brandenburg-Preußen Museum
Marie Goslich bei der Arbeit ©Krystina Kauffmann
Im Schatten einer großen Linde habe ich es mir am Ufer des Schwielowsees in Baumgartenbrück mit meiner Kamera bequem gemacht. Ein paar Meter weiter, hinter einem alten Kahn der am Ufer auf bessere Tage wartet, beobachtet ein älterer Herr die Pose seiner Angel, die unermüdlich über das Wasser hüpft. Warmer Wind weht mir ins Gesicht und lässt die Schirmchen der Pusteblumen über die Wiese tanzen. Um mich herum herrscht reger Verkehr. Vor mir kreuzen Berufs- und Hobbykapitäne mit ihren Booten über den See, hinter mir höre ich Gesprächsfetzen der vorbeiziehenden Radfahrer. Immer wieder greife ich zu meiner Kamera und halte die sich stetig wechselnden Szenen fest und schweife dabei in Gedanken zu Marie Goslich, einer der ersten Fotografinnen Deutschlands, ab.
Am Schwielowsee kann man auf den Spuren von Marie Goslich wandeln.
Viele Fotografien von Marie Goslich erinnern an Gemälde. ©Krystina Kauffmann
Werbung (Affiliate Links)
Noch mehr Inspiration für deine Reise nach Brandenburg findest du in meinem Buch!
In unserem Reiseführer “52 kleine & große Eskapaden Fläming, Niederlausitz und Spreewald: Ab nach draußen!” nehmen Inka Chall und ich dich mit auf 52 besondere Touren. Entdecke mit uns durch schmucke Kleinstädte und Dörfer und wandere mit uns durch die Natur. Wir verraten dir unsere Lieblingsplätze und Herzensorte südlich von Berlin.
Marie Goslich, die 1859 in Frankfurt an der Oder geboren wurde und aus guten sozialen Verhältnissen stammte, arbeitete nach ihrer Tätigkeit als Hauslehrerin, als Schriftstellerin und Redakteurin unteranderem bei den preußischen Jahrbüchern.
Um ihre Geschichten und Reportagen selbst illustrieren zu können, ließ sich Marie Goslich mit über 40 Jahren höchstwahrscheinlich beim Lette-Verein, dem Berliner Verein „Zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts“, ausbilden und wurde so zu einer der ersten professionellen Fotografinnen in Deutschland. Mit ihrer Plattenkamera zog es sie immer wieder an ihren Sehnsuchtsort Baumgartenbrück vor den Toren Berlins zurück. Das kleine Dorf, das heute zu Geltow gehört, wurde ihre Inspirationsquelle und ihr Rückzugsort.
„Baumgartenbrück ist nicht sehr grosz, sondern nur sehr schön“ (Fontane 1873)
Genau wie ich heute, saß sie damals vermutlich mit ihrer großen, schweren Plattenkamera vor dem Gasthof in Baumgartenbrück und wartete auf interessante Fotomotive.
Das Gasthaus in Baumgartenbrück hat sich äußerlich in den letzten knapp 100 Jahren kaum verändert.
Schon zu Zeiten von Marie Goslich, war die Terrasse am See ein beliebtes Ausflugsziel. ©Krystina Kauffmann
Anders als Fontane, der kurz zuvor in dem vierten Band der „Wanderungen durch die Mark“ mit seinen Beschreibungen von Schlössern, Kirchen und Herrenhäusern den verblassten Rum des alten Preußens beschrieb, lag Goslichs Fokus einige Jahre später hauptsächlich auf der allgemeinen Aufbruchsstimmung nach der Gründerkrise. Marie Goslich beschrieb den Wandel im städtischen und ländlichen Leben in diversen Artikeln und hielt ihn fotografisch fest.
Marie Goslichs Aufnahmen sind keine Schnappschüsse. Durch die lange Belichtungszeit der Plattenkamera wären die Fotografien sonst verwackelt. ©Krystina Kauffmann
In der Sonderausstellung im Brandenburg-Preußen Museum sind viele Aufnahmen Goslichs ausgestellt.
So finden sich unter den erhaltenen Aufnahmen viele Fotografien von fahrenden Händlern, Landstreichern, Bauern, Fischern, spielenden Kindern, Sommerfrischlern, die aus der städtischen Enge hinaus ins ländliche Idyll strömten, und vor allem von Frauen rund um das Gasthaus in Baumgartenbrück. Eindrücklich und mit großer Liebe zum Detail zeigen sie den romantischen Blick einer gut situierten Städterin auf das Landleben am Ende des 19. Jahrhunderts. Im harten Kontrast dazu stehen ihre Aufnahmen aus Berlin. In der Enge der Mietskasernen und dunklen Hinterhöfe dokumentierte Goslich, die für die Bodenreform kämpfte, die Missstände ihrer Zeit und prangerte die prekären Wohnverhältnisse an. Die so entstandenen Aufnahmen erzählen Geschichten von Armut, Krankheit aber auch Würde und Stärke der Schwachen.
Es grenzt fast an ein Wunder, dass die vielen Werke von Marie Goslich vom 14. April 2019 bis zum 8. Dezember 2019 in einer großen fotohistorischen Sonderausstellung im Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau gezeigt werden können. Marie Goslich vertraute ihrer guten Freundin, der jungen Wirtin des Gasthauses Baumgartenbrück, vor ihrem Tod etwa 400 ihrer Glasnegative an. In den Wirren des Krieges schaffte es Liselotte Herrmann diese großen Schatz, verborgen in einem Treppenverschlag, so gut es ging, aufzubewahren. Knapp 100 Jahre nach ihrer Entstehung hat Krystina Kauffmann, die Marie-Goslich-Biografin, die Bilder von Marie Goslich entdeckt und begonnen, sich über viel Jahre hinweg mit dieser außergewöhnlichen Frau zu beschäftigen.
Neben den eindrücklichen und berührenden Bildern von Marie Goslich hat mich besonders die begleitende historische Aufarbeitung in der fotohistorischen Sonderausstellung im Brandenburg-Preußen Museum fasziniert. Es ist unglaublich spannend zu sehen, wie viele neue Erkenntnisse über das Leben und das Werk Goslichs seit meinem letzten Besuch des Museums vor einem Jahr, im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen, gewonnen werden konnten. Erst sei eine reine Fotoausstellung geplant gewesen, erzählt mir die Museumsleiterin Claudia Krahnert. Mit beginnender Recherche wurde aber schnell deutlich, wie facettenreich die Themen waren. “Mir wurde schnell klar, dass man Marie Goslich mit einer reinen Fotoausstellung nicht gerecht werden kann”, erzählte sie. Zusammen mit der Wissenschaftlichen Mitarbeiterin Anna Ogdowski und der Praktikantin Johanna Richter entstand so innerhalb von wenigen Monaten die beeindruckende Sonderausstellung, die mit großformatigen Schwarzweißbildern, Zeitungsartikeln und Exponaten aus der Zeit das Leben von Marie Goslich und die Veränderungen rund um die Jahrhundertwende greifbar macht.
Kirschblütenflirt Foto links ©Krystina Kauffmann
Gut zu Wissen
Die fotohistorische Sonderausstellung „Marie Goslich – Aufbruch aus der Fontane Zeit“ kann vom 14. April 2019 bis zum 8. Dezember 2019 im Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau (in der Nähe von Neuruppin) besichtigt werden.
Öffnungszeiten
April – Oktober
Di – So 10.00 – 18.00 Uhr
November – März
Di – So 10.00 – 16.00 Uhr
Winterschließzeit
9. Dezember 2019 bis 31. Januar 2020
Adresse
Brandenburg-Preußen Museum
Eichenallee 7a
16818 Wustrau
Kontakt
Telefon 03 39 25 – 7 07 98
E-Mail:wustrau(at)brandenburg-preussen-museum.d
Teile diesen Beitrag auf Pinterest:
Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
1 Kommentar
Hinterlasse einen Kommentar
Inhaltsverzeichnis
Eine tolle Gegend. Ich will dahin. Vielen Dank.