Kurzurlaub in Einbeck: Bier, Blaudruck & Oldtimer im Weserbergland

Einbeck ist viel mehr als nur ein hübscher Fachwerkort. Die ehemalige Hansestadt steht für jahrhundertealte Bierkultur und gilt als Ursprung des Ainpöckisch, dem heutigen Bockbier. Im historischen Kornspeicher erzählt der PS.SPEICHER mit der größten Oldtimersammlung Europas die Geschichte der Mobilität und in der ältesten Blaudruckwerkstatt des Kontinents lebt ein Handwerk fort, das seit 2018 als immaterielles UNESCO-Kulturerbe anerkannt ist. Dazu kommt eine außergewöhnliche Dichte an reich verzierten Fachwerkhäusern der Weserrenaissance.
Einbeck liegt im Weserbergland, zwischen Hildesheim und Göttingen in Südniedersachsen. Die Altstadt ist kompakt, Wege sind kurz und genau das macht die Stadt zu einem wunderbaren Ziel für ein herbstliches Wochenende.


Altstadtspaziergang
Am schönsten lernt man Einbeck zu Fuß kennen. Schon nach wenigen Schritten merkt ihr, warum die Stadt ein kleines Eldorado für Fachwerkliebhaber ist. Die schmucken Fassaden reihen sich wie Perlen aneinander.
Tiedexer Straße
Besonders beeindruckend ist das Straßenbild in der Tiedexer Straße. Nach dem großen Stadtbrand von 1540 entstanden hier ab 1541 die ersten Neubauten an der wichtigen Fernhandels- und Torstraße Richtung Markt. Heute ist die Straße die längste zusammenhängende Fachwerkstraße in Niedersachsen. Viele Häuser tragen ihr Baujahr bis heute im Holz. Das erhöhte Erdgeschoss, das schmale Zwischengeschoss und das vorkragende Obergeschoss zeigen die typische Bauweise dieser Zeit. Wer genauer hinschaut, erkennt auch die Spuren der langen Biertradition Einbecks. An Brautagen wurde die städtische Sudpfanne durch die großen Tore bis in die Diele geschoben. Oben in den Dächern belüfteten kleine Luken die Lager für Getreide und Hopfen.


Eickesches Haus
Das 1612 errichtete Eickesche Haus in der Marktstraße 13 ist es so etwas wie das geschnitzte Bilderbuch der Einbecker Spätrenaissance. Rund hundert Köpfe und Masken blicken von der Fassade hinunter auf die Gasse. Auf 42 Bildfeldern erzählen Figuren von den fünf Sinnen, von Tugenden und den sieben freien Künsten und Musen.
Wie viele Fachwerkhäuser war auch dieses vom Einsturz bedroht. Glücklicherweise konnte das Gebäude umfassend statisch ertüchtigt und denkmalgerecht saniert werden. Die ehemals farbig gefassten Schnitzereien zeigen sich nun wieder in Holzfarben. Für diese Arbeit gab es 2009 den Deutschen Fachwerkpreis. Heute hat die Tourist-Information hier ihr Zuhause. Wenn ihr hier startet, bekommt ihr Karten, Termine und die besten Tipps für einen Stadtbummel.

Marktplatz
Nur ein paar Schritte weiter wartet der Marktplatz auf Neugierige. Mittwochs und samstags füllt der Wochenmarkt den Platz mit regionalen Ständen. An der Südseite steht das Alte Rathaus. Nach 1549 neu errichtet und 1593 um die drei auffälligen Erkertürmchen ergänzt, zeigt es Zierschnitzereien und die Stadtmarke mit dem gekrönten E. Über Jahrhunderte war das Haus Markthalle, Gericht und Verwaltung, heute wird hier auch getraut.
Gegenüber erinnert der Till-Eulenspiegel-Brunnen an die alten Geschichten der Stadt. Ein Blickfang ist die Ratsapotheke mit ihrem ochsenblutroten Fachwerk. Das Gebäude wurde 1540 als Wohnhaus gebaut, 1833 zog die Apotheke ein.


Aufstieg auf die Marktkirche St. Jacobi
Am Marktplatz steht auch die gotische Kirche St. Jacobi, die kleinere der beiden evangelisch-lutherischen Kirchen Einbecks. Ihre Geschichte reicht weit zurück: Hinweise auf eine zweite Stadtkirche gibt es schon 1238, sicher belegt ist sie seit 1327. Über Jahrhunderte wurde gebaut, erweitert und ausgebessert. Am auffälligsten ist ihr Turm: rund 65 Meter hoch, sichtbar aus dem Lot. Bereits 1741 erhielt er wegen seiner Neigung eine barocke Stützmauer; heute gilt die Kirche als Denkmal und prägt mit ihrem „schiefen Turm von Einbeck“ den Platz.
Hinauf geht es nicht jederzeit, sondern im Rahmen von Stadtführungen. Besonders stimmungsvoll ist der Aufstieg während der Abendführung „Helles Bier und dunkle Schatten“. An jedem ersten Freitag im Monat zeigt ein Guide die Altstadt in der Dämmerung. Der Aufstieg in den Turm gehört dazu. Oben, von der ehemaligen Türmerstube, öffnet sich der Blick über die Fachwerkzeilen, den Marktplatz und die Gassen weit hinaus ins Weserbergland



Blaudruck in Einbeck
Blaudruck ist eines dieser Handwerke, die man kennt, ohne sie wirklich zu kennen. Die Technik dahinter heißt Reservedruck: Nicht die Farbe macht das Muster, sondern eine schützende Druckmasse, die mit handgeschnitzten Holzmodeln auf den Stoff gesetzt wird. Was „reserviert“ ist, bleibt später hell, der Rest wird im Farbbad gefärbt. 2018 wurde diese Tradition als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt.
Die Einbecker Blaudruck Werkstatt gilt als die älteste noch arbeitende Blaudruckerei Europas. Gegründet wurde sie 1638, mitten im Dreißigjährigen Krieg, von Hans Wittram als Färberei. Um das Jahr 1700 experimentierte sein Sohn mit dem Reservedruck, der hier bis heute praktiziert wird. Über 350 Jahre blieb der Betrieb in Familienhand und ging erst 2005 von der Familie Wittram an Ulf Ahrens über, der die Tradition weiterführt. In den Räumen am Möncheplatz 4 lagern mehr als 800 historische Druckmodel aus nahezu allen Stilepochen. Die ältesten zeigen biblische Szenen, später kamen florale Motive wie Nelken und Pfingstrosen hinzu. Produktion und Ablauf haben sich in den Grundzügen kaum verändert: Druckpapp auftragen, trocknen lassen, färben, den Papp auswaschen und das Muster tritt weiß hervor.



In der Einbecker Blaudruckwerkstatt lässt sich das nicht nur anschauen, sondern auch ausprobieren. Ulf Ahrens begrüßt uns mit einem ruhigen Lächeln und führt die schmale Holztreppe hinauf in die Werkstatt. Zwischen alten Arbeitstischen, Regalen voller Model und Bottichen erklärt er, wie Papp, Model und Rapport zusammenspielen. In den Regalen warten die Herzstücke der Druckerei auf uns: schwere, glatte Druckmodel, manche schlicht gepunktet, andere mit Blumenranken, Vögeln oder biblischen Motiven verziert. Bevor es „an den guten Stoff“ geht, üben wir. Ein großes Tuch liegt auf dem Tisch, der Model landet das erste Mal auf dem Tuch. Ein kräftiger Schlag später ist der erste Abdruck gedruckt. Reihe für Reihe wächst ein Muster. Ulf steht daneben, gibt kleine, hilfreiche Hinweise: den Druck gleichmäßig setzen, die Kante sauber finden und das Atmen nicht vergessen. Nach einem Abstecher zur großen Mangel und der Färberei besuchen wir den Laden im Erdgeschoss. Tischdecken, Läufer, Kissen: überall Ideen. Wir halten Muster nebeneinander, kombinieren und verwerfen, bis klar ist, was zu uns passt. Ulf nickt, skizziert kurz unsere Variante, und dann geht’s wieder nach oben.
Jetzt drucken wir unseren eigenen Tischläufer. Ein tiefer Atemzug, ordentlich Augenmaß und schon ist der erste Abdruck auf dem Läufer. Kleine Unregelmäßigkeiten gehören dazu. Zum Schluss wählen wir die Farbe. Zwölf Töne stehen zur Auswahl. Jede wird einmal im Jahr gefärbt. Wir entscheiden uns, tragen die Nummer ein und lassen das Werk in Einbeck. Wenn „unsere“ Farbe an der Reihe ist, färbt die Werkstatt den Stoff, wäscht den Papp aus, das Weiß der Muster tritt hervor und einige Wochen später kommt Post: ein Stück Einbeck für zu Hause. Gut zu wissen:
Der Einsteiger-Workshop dauert rund zwei Stunden und kostet 50 € pro Person; im Preis ist ein Tischläufer im Format 40 × 100 cm enthalten. Nach einer kurzen Einführung in Geschichte und Technik und ein paar Probedrucken mit den Holzmodeln druckt ihr euer eigenes Muster, wählt anschließend eine von zwölf Farben und überlasst das Färben der Werkstatt. Gefärbt wird farbweise – jede Farbe einmal im Jahr – und euer Stück kommt danach per Post zu euch nach Hause. Die Kurse finden in kleinen Gruppen von etwa vier bis zwölf Personen statt; am besten reserviert ihr euren Termin vorab.



Hotel Freigeist und Genusswerkstatt
Nach einem wunderbaren ersten Nachmittag in Einbeck spazieren wir am Abend hinüber zum Hotel Freigeist. Von der Altstadt sind es nur ein paar Minuten Fußweg. Das Hotel liegt direkt neben dem PS.SPEICHER und nimmt dessen Thema konsequent auf. Vespas an der Wand, Stahl, Beton, alte Autoteile und warme Materialien ziehen sich durchs gesamte Design, ohne die klare, moderne Linie zu brechen. Das wirkt stimmig, freundlich und überraschend zeitgemäß. Unser Zimmer ist herrlich ruhig, praktisch eingerichtet und sehr gemütlich.
Am Morgen punktet das Freigeist mit einem großzügiges Frühstücksbuffet. Frisches Brot, regionale Aufschnitte, Obst, Eierspeisen nach Wunsch: Was will man mehr für einen entspannten Start in den Tag.




Und auch zum Abendessen reicht ein kurzer Weg über die Straße in die Genusswerkstatt im PS.SPEICHER. Abends verwandelt sich das Museumslokal in ein kleines, feines Restaurant mit Fokus auf dem Grill. Die Karte ist bewusst schlank und trotzdem vielseitig. Neben einem sehr guten Burger steht auch eine asiatisch inspirierte Bowl, Gemüse mit Röstaromen sowie auf den Punkt gegarter Fisch und Fleisch auf der Karte. Die Qualität der Produkte steht klar im Vordergrund, die Küche arbeitet präzise und ohne Effekthascherei. Preislich ist das eher im gehobenen Bereich, angesichts von Handwerk und Geschmack aber stimmig.



PS.SPEICHER
Gleich neben dem Hotel beginnt im PS.SPEICHER die nächste Zeitreise. Der PS.SPEICHER ist kein klassisches Museum, eher eine erzählte Geschichte der Mobilität. Über sechs Etagen geht es durch gut zweihundert Jahre auf Rädern, mit mehr als 450 Exponaten und viel Szene drumherum. Jede Etage fühlt sich an wie ein eigenes Kapitel. Man steht plötzlich in einer Werkstatt, in einer belebten Straße, einem Kriegsschauplatz oder in einer Milchbar. Wer mit Oldtimern nichts am Hut hat, findet hier trotzdem seinen Zugang, weil es immer auch um den Alltag dieser Zeiten geht.
Der Rundgang beginnt bei den frühen Anfängen, bei Draisine und dampfgetriebenen Versuchen, führt weiter zum Ottomotor und zu den ersten Automobilen von Benz und Maybach. Dazwischen erinnert eine dichte Reihe von Motorrädern und Mopeds daran, dass motorisierte Freiheit lange eher auf zwei als auf vier Rädern stattfand. Später greift die Schau die Idee vom erschwinglichen Volkswagen auf und zeigt, wie Technik, Politik und Gesellschaft ineinander griffen.
Ein Lieblingsort ist die Welt der Fünfziger. Neon, Jukebox, Milchbar, verchromte Träume. Zwischen Vespa, Isetta und Gogomobil steckt dieser unnachahmliche Optimismus der Nachkriegsjahre. Eine Etage weiter blitzen andere Ikonen auf, vom Käfer bis zum Bus, von sportlichen Japanern bis zum ostdeutschen Trabant. Und zwischendurch steht man vor Autos, die längst Kino sind, etwa dem DeLorean aus Zurück in die Zukunft.
Wer noch tiefer einsteigen will, findet in Einbeck noch vier Depots zu Kleinwagen, Bussen, Lkw und Motorrädern. Für die meisten reicht die Hauptausstellung völlig. Zwei Stunden vergehen hier schnell. Und am Ende bleibt oft das gleiche Fazit: selbst wer ohne Autoliebe kommt, geht mit einem breiten Grinsen wieder hinaus.





Wallanlagen-Spaziergang
Wer Einbeck von einer ruhigeren Seite erleben möchte, geht die Wallanlagen entlang. Der Wallanlagen Rundweg führt in einem grünen Band um die historische Altstadt, ist rund 2,9 Kilometer lang und gliedert sich in fünf Abschnitte. Entstanden als Teil der mittelalterlichen Befestigung, erstmals 1264 erwähnt, lehnt sich die Stadtmauer an einen vorgelagerten Erdwall, mit Türmen in regelmäßigen Abständen. Kriege und Besatzungen setzten dem Mauerwerk zu, doch lange Passagen sind bis heute erhalten. Dazwischen liegen Wiesen, alte Bäume, Bänke und immer wieder kleine Spielplätze.
Praktisch ist der Start am Bäckerwall. Hier säumen Rasen, alte Kastanien und eine Minigolfanlage den Weg. Nach dem Übergang beginnt der Krähengraben mit zwei markanten Punkten: links der halbrunde Storchenturm in der Mauer, etwas weiter die Bastion am Wall. Am Ende des Abschnitts sieht man die historische Wasserüberführung, wo der Mühlenkanal über das Krumme Wasser geleitet wird, flankiert vom Diekturm. Dahinter schließt der Mühlenwall an. Ein Gedenkstein erinnert an die jüdischen Bürger der Stadt, hier stand einst die Synagoge, die in der Pogromnacht zerstört wurde. Wer wenige Schritte in den Sonnenhaken abbiegt, steht vor dem Pulverturm, einem weiteren Bauteil der alten Befestigung. Zurück auf der Hauptroute folgt der Bürgermeisterwall und schließlich der Lange Wall. Links, hinter den Bahnschienen und nahe der katholischen Kirche St. Josef, führt ein eher unscheinbarer Zugang in den Stiftsgarten. Wer ihn durchquert, steht wenig später an der mächtigen Stiftskirche St. Alexandri. Nördlich davon liegen die Reste des Knochenturms und der Totenturm.


Street-Art-Meile
Wer in Einbeck mit offenen Augen unterwegs ist, merkt schnell: Zwischen Fachwerk und Kopfsteinpflaster tauchen plötzlich bunte Bilder auf. Manche Werke schmücken gut sichtbar ganze Hausfassaden, andere verstecken sich in Durchgängen oder zeigen sich erst, wenn man einen Schritt zurücktritt oder sich noch einmal umdreht. Zusammen ergeben sie die größte Open-Air-Galerie Südniedersachsens. Seit 2014 kommen Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt nach Einbeck und lassen hier farbenfrohe Arbeiten entstehen. Was als Idee der Kinder- und Jugendkunstinitiative YoungArt in Einbeck begann, hat die Stadt dauerhaft verändert. Heute zählen rund 70 ArtSpots dazu, von kleinen Kunstwerken bis zu großformatigen Fassadenbildern.
Am schönsten ist die Entdeckungstour ohne festen Plan. Einfach treiben lassen, die Blicke heben, Details suchen, Farben und Formen zwischen den Fachwerklinien lesen. Wer tiefer einsteigen möchte, bucht eine geführte Street-Art-Tour und erfährt mehr über die Motive, Arbeitsweisen und Geschichten hinter den Murals.



Altstadt Café
Am Nachmittag gibt das Wetter. Feiner Regen liegt in der Luft. Wir lassen uns vom warmen Licht und dem Duft nach frisch gebrühten Kaffee ins Altstadtcafé locken. Eigentlich ist es für sein umfangreiches Frühstück bekannt, doch auch am Nachmittag stehen hausgebackene Torten in der Vitrine.
Das Café liegt in der Maschenstraße, nur ein paar Schritte von der Fußgängerzone entfernt, zwischen Neustätter Kirchplatz und Marktkirche. Seit 2010 sitzt es im ehemaligen Clarissinnen-Kloster. Drinnen teilt freistehendes Fachwerk den Raum. An an sonnigeren Tagen kann man auch im gemütlichen kleinen Innenhof sitzen. Das Team ist aufmerksam, der Ton herzlich, die Torten sind frisch gebacken und genau das Richtige für ungemütliches Herbstwetter.


Einbecker Bierpfad
Wer in Einbeck die Augen offen hält, sieht sie schnell: kleine weiße Fässer auf dem Pflaster. Sie weisen den Weg über den Einbecker Bierpfad, einen rund zweieinhalb Kilometer langen Rundgang vom Alten Rathaus bis hinüber zum Einbecker Brauhaus. Acht große Metallfässer stehen unterwegs an markanten Punkten. Jedes erzählt ein Stück Stadt- und Biergeschichte, ergänzt um kleine digitale Extras per QR-Code, vom Blick in den Rathauskeller bis zu Anekdoten rund um Till Eulenspiegel.
Unterwegs wird greifbar, wie eng die Fachwerkhäuser, Hanse und Bier zusammengehören. Zur Blütezeit besaßen über 700 Bürgerhäuser in Einbeck eine Brauberechtigung, das „Ainpöckisch“ ging von hier aus nach ganz Europa.
Eine kleine Karte des Bierpfads mit allen Stationen gibt es in der Tourist-Info im Eickeschen Haus.



Bierdiplom
Wer noch tiefer in Einbecks Biergeschichte eintauchen möchte, bucht am besten das Bierdiplom mit Stadtführung. Startpunkt ist die Tourist-Information im Eickeschen Haus. Von dort führt der Rundgang quer durch die Altstadt. Gebraut wurde in Einbeck vor allem von September bis April, gekühlt mit Eis, das man in den Wallgräben gewann. So entstand früh ein stärker eingebrautes, haltbareres Bier. Es machte Einbeck als Hansestadt interessant und wurde schon im 14. Jahrhundert weit über Norddeutschland hinaus gehandelt. Belege wie die Celler Rechnung von 1378 bekommt man unterwegs genauso eingeordnet wie Luthers berühmtes Lob von 1521. Schnell wird auch klar, wie das Bockbier zu seinem Namen kam. Aus dem Ainpöckisch der Einbecker wurde im bayerischen Dialekt erst Oanpock und am Ende Bockbier.
Der Weg führt auch in das Stadtmuseum. Zwischen Zapfhähnen, Etiketten und Krügen steht dort das älteste erhaltene Bierfass Deutschlands aus dem Jahr 1440. Von hier geht es weiter durch die Gassen bis zum Marktplatz.



Ziel ist das schmucke Brodhaus. Es gilt als ältestes Wirtshaus in Niedersachsen und steht als einziges erhaltenes Gildehaus der Bäcker am Marktplatz. Das Gildeleben prägte das Haus über Jahrhunderte, gepachtet wurde meist für drei oder sechs Jahre, an der Fassade erinnert noch heute das metallene Gildenschild. Drinnen sitzt man gemütlich, wenn man Glück hat (oder rechtzeitig reserviert) sogar in alten Bierfässern, die zu urigen Nischen umgebaut wurden.



Hier beginnt der praktische Teil des Bierdiploms. Nach und nach werden drei Einbecker Biere verkostet, dazu gibt es Hintergründe zu Stil, Rohstoffen und Stammwürze. Vieles, was man eben auf der Runde gesehen hat, bekommt so einen Geschmack und eine Zahl. Zum Schluss folgt ein kurzer Wissenstest. Wer besteht, nimmt eine Urkunde und einen Einbecker Seidel mit nach Hause und darf sich diplomierte Einbecker Bierkennerin oder Bierkenner nennen.
Wir bleiben gleich in unserem gemütlichen Fass im Brodhaus sitzen und stöbern uns durch die Wirtshauskarte. Serviert wird klassische Brauhausküche, großzügig portioniert und ohne Schnörkel.

UNESCO Welterbe Fagus-Werk
Am nächsten Morgen verlassen wir nach einem ausgiebigen Frühstück Einbeck. Eine knappe halbe Stunde mit dem Auto später landen wir in Alfeld an der Leine. Am Stadtrand steht hier eines der spannendsten Industrieensembles Deutschlands: das Fagus-Werk, seit 2011 UNESCO-Welterbe und bis heute aktiver Produktionsstandort. Wir starten im Besucherzentrum und in der Ausstellung, die sehr anschaulich erzählt, wie hier Schuhleisten gemacht wurden und warum dieses Werk so früh so anders gebaut wurde. Der Name Fagus ist kein Zufall, er kommt vom lateinischen Wort für Buche. Buchenholz war lange der Rohstoff für Schuhleisten. Heute wird im Unternehmen neben Schuhleisten vor allem Mess- und Brandschutztechnik produziert. In Vitrinen liegen hölzerne Leisten, Modelle, Werkzeuge und Entwürfe. Auf Plänen und historischen Fotos sieht man, wie neu diese Architektur 1911 wirkte und wie viel Tageslicht die Hallen schon damals bekamen.



Die anschließende ArchitekTour führt über das Gelände und macht die Prinzipien hinter den Fassaden begreifbar. Auftraggeber Carl Benscheidt holte 1911 den jungen Walter Gropius und Adolf Meyer nach Alfeld. Ihr Entwurf bricht mit der schweren Industrieästhetik der Zeit. Statt massiver Ecken und kleiner Fenster setzen sie auf ein Stahlskelett, vorgehängte Fassaden und breite, horizontale Fensterbänder. Die Ecken sind vollständig verglast und wirken beinahe schwebend. Heller Klinker trifft auf filigrane Stahlprofile, die Luft und Licht ins Innere lassen. Es geht nicht nur um eine schöne Hülle, sondern um bessere Arbeitsbedingungen. Tageslicht, Sichtbezüge, klare Wege. Auf der Führung stehen wir an genau den Stellen, an denen man das am besten versteht, blicken in Treppenhäuser, entlang der Fassaden und über die Höfe auf die berühmten Glasecken. Immer wieder fällt der Blick zurück auf die Grundidee, die der Moderne den Weg bereitete: Tragwerk und Hülle werden getrennt gedacht, Form folgt Funktion, der Mensch am Arbeitsplatz rückt ins Zentrum.
Besonders eindrücklich ist, dass das Werk lebt. Maschinen laufen, Türen gehen auf und zu. Das hier ist kein trockenes Museum, sondern ein aktiver Produktionsstandort. Diese Gleichzeitigkeit aus Denkmal und Gegenwart macht den Reiz aus. Wer an der sehr empfehlenswerten ArchitekTour teilnehmen möchte, sollte sich vorab anmelden. Die Kombination aus Ausstellung und Führung ist ideal, zuerst die Hintergründe, danach die Details an Ort und Stelle.





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Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
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