Die Landesgartenschau in Höxter – zwischen Weserrenaissance, Wasser und Weltkulturerbe im Weserbergland
Mitten im Herzen des Weserberglandes, dort wo sich im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen treffen, versteckt sich eine der ältesten Städte Norddeutschlands. Die kleine Fachwerkstadt Höxter ist für ihre prächtig verzierten Weserrenaissance-Häuser, die schmucke Weserpromenade, die zu langen Spaziergängen und Picknickpausen am Weserufer einlädt, ihre wunderschöne umliegende Landschaft mit sanften Hügelketten, weiten Wäldern und Flusstälern und natürlich das ehemalige Benediktinerkloster Corvey bekannt.
In diesem Jahr ist Höxter Gastgeberin der Landesgartenschau NRW. Das Besondere: Stadt, Weser und das Weltkulturerbe Corvey werden hier miteinander verknüpft. Neben typischen Gartenanlagen erwarten dich faszinierende Einblicke in die über 1.200 Jahre alte Geschichte von Höxter und der Welterbestätte Corvey. Jeder dieser Orte ist für sich genommen schon ein Highlight. Zusammen bilden sie die perfekte Kulisse für diese außergewöhnliche Landesgartenschau.
Die historische Altstadt
Ich starte meinen Kurzurlaub in Höxter mit einer gemütlichen Führung durch die Altstadt. Nach einem Blick in das prächtige alte Rathaus mit seinen Holzschnitzereien bummeln wir durch die belebten Gassen. Während ich durch die Jahrhunderte spaziere und mich über die ersten Anzeichen der Landesgartenschau freue, herrscht an diesem warmen Frühlingstag reges Treiben in den vielen Restaurants und Cafés. Zahlreiche Fachwerkhäuser aus dem 15. bis 16. Jahrhundert, prächtig verziert und liebevoll restauriert, säumen die kopfsteingepflasterten Straßen.
Überall in der Altstadt stößt man auf bemerkenswerte historische Gebäude aus der Weserrenaissance – einer besonderen Form der Renaissance-Architektur, die in der Region um die Weser im 16. und 17. Jahrhundert entstand und ihre Blütezeit zwischen dem Beginn der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg erlebte. Die wohl bekanntesten Merkmale dieser Bauperiode sind die kunstvoll verzierten Giebel mit Fächerpalmen, Schmuckleisten mit Inschriften, Wappen, Masken und Stand-Erkern. Neben Adelssitzen, Burgen und Schlössern wurden auch zahlreiche Bürgerhäuser im Stil der Weserrenaissance gebaut.
Eines der schönsten Gebäude dieser Epoche ist in Höxter wohl das 1571 vom wohlhabenden Kornhändler Mollner erbaute „Adam und Eva Haus“, das seinen Namen der Darstellung des Sündenfalls auf dem rechten Eckständer verdankt und besonders durch die einzigartige Bilddarstellung an der Front des Hauses und seine prächtigen Elemente der Weserrenaissance wie Fächerrosetten, Perlschnurornamenten und Neidmasken beeindruckt.
Forum Jacob Pins
Im Herzen der Altstadt befindet sich auch das Forum Jacob Pins. 25 Jahre lang verfiel der Adelshof Heisterman von Ziehlberg in der Westerbachstraße, bis er schließlich durch die Stiftung von Jacob Pins und die Stadt Höxter gerettet und zu einem einzigartigen Kulturdenkmal wurde. Das Forum Jacob Pins vereint die Werke des jüdischen Künstlers Jacob Pins mit der Architektur des Renaissance-Adelshofes und ist zugleich ein Ort der Erinnerung an die ehemals in Höxter lebenden Juden, die in den Konzentrationslagern der Nazis in den Tod geschickt wurden.
Jacob Pins, geboren 1917 in Höxter, emigrierte kurz vor dem Zweiten Weltkriegs nach Israel und wurde dort nach seinem Kunststudium zu einem anerkannten Maler und Holzschneider mit zahlreichen Ausstellungen und Auszeichnungen in der ganzen Welt. Trotz der Flucht blieben seine Wurzeln tief in Höxter verankert, so stiftete er als Zeichen der Versöhnung 2002 einen Großteil seines künstlerischen Nachlasses an die Stadt. Pins verstarb am 4. Dezember 2005 in Jerusalem, aber sein Vermächtnis lebt im Forum Jacob Pins weiter.
Das Museum widmet sich nicht nur Pins’Werk, sondern auch seiner umfangreichen Sammlung japanischer Holzschnitte und seiner bewegenden Lebensgeschichte. Mit regelmäßigen Sonderausstellungen bietet das Forum Jacob Pins sowohl Kunstliebhaber:innen als auch Historiker:innen einen faszinierenden Einblick in Pins vielseitiges Schaffen.
Forum Anja Niedringhaus
Nur einen Steinwurf vom Forum Jacob Pins befindet sich das Tilly-Haus, benannt nach Johann T’Serclaes Graf von Tilly, einem prominenten Militärführer des 30-jährigen Krieges. Nach einer denkmalgerechten Restaurierung ist es nun die Heimat des Forums Anja Niedringhaus.
Die international bekannte Fotografin und Pulitzerpreisträgerin wurde 1965 in Höxter geboren und 2014 in Ausübung ihres Berufes in Afghanistan von einem Attentäter erschossen. Ihre Bilder, die Krieg und seine Folgen eindrucksvoll darstellen, fordern eine Diskussion über Fluchtursachen und Fluchtkonsequenzen. In ihrem Andenken ist im Tilly-Haus ein Kultur- und Begegnungsort mit wechselnden Ausstellungen, Workshops und medialen Angeboten entstanden, der auch den Opfern von Krieg und Verfolgung gewidmet ist.
Die Weserpromenade
Nach der Erkundung der historischen Altstadt mit ihren Museen und Renaissance-Schätzen zieht es mich am Abend zum Wasser. Nach einer gemütlichen Pause zwischen den Tulpenbeeten am Weserufer schlendere ich entlang der Weserpromenade und genieße den Blick auf die wunderschöne Flusslandschaft.
Während sich hier früher wichtige Handelswege kreuzten, sind es heute mehrere regionale und überregionale Radwege. Kein Wunder also, dass Höxter auch Dank der guten Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten ein beliebtes Etappenziel auf dem Weser-Radweg und dem Europaradweg R1 ist.
Die Landesgartenschau Höxter
Rund um Höxter überzieht ein buntes Meer aus Blumen die Landschaft. Dieser Farbenrausch ist der Landesgartenschau zu verdanken, die sich noch bis zum 15. Oktober 2023 von der historischen Fachwerkstadt entlang der Weserpromenade bis zum Welterbe Schloss Corvey erstreckt.
31 Hektar groß ist das Gartenschaugelände, das 60 Ausstellungsbeiträge, darunter allein 34 Themen- und Galeriegärten, beherbergt.
Zwischen Wildblumenwiesen, Lavendelfeldern und Schaugärten kann man im Archäologiepark Live-Grabungen beobachten und dank multimedialer Technik in die Vergangenheit reisen, auf der Weserscholle die Seele baumeln lassen oder im Remtergarten auf den Spuren der Benediktiner wandeln.
Einen ganzen Tag bin ich kreuz und quer über das große Areal gebummelt, habe die Seele baumeln lassen, ganz viel Inspiration für meinen eigenen Garten entdeckt und kann nach meinem Besuch nicht anders als dem Motto der Gartenschau zuzustimmen: „Schön hier. Komm gucken!“
Doch von vorn: Begleitet von lautem Vogelzwitschern laufe ich im warmen Licht der Morgensonne zur Wallanlage, die seit dem Mittelalter die Altstadt umrahmt und nun Teil der Landesgartenschau ist. Ich folge dem schmalen Pfad, der mich im Schatten der alten Bäume vorbei an Tulpen und Stauden durch verschiedene Hausgärten, von modern bis naturnah, und außergewöhnlichen Beiträgen wie dem Porzellangarten der Porzellanmanufaktur Fürstenberg und der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe führt. 1500 Porzellanteller zeichnen hier die Weserwellen nach, während Sternmoos die Kuppen des Weserberglandes nachbildet.
Ganz am Ende des Walls mache ich, nachdem ich ausgiebig im Bücherschrank gestöbert habe, eine kleine Pause im Lesegarten, in dem regelmäßigen Veranstaltungen wie Lesungen stattfinden.
Vom Wall aus sind es nur wenigen Schritte bis in die Altstadt von Höxter und hinunter zum Weserufer. Der Weg entlang der Weser schlängelt sich vorbei an blühenden Streifen aus heimischen Pflanzen, kunterbunten Fischskulpturen und dem Pavillon der Ortschaften. Immer wieder führen breite Stufen hinunter zum Fluss und laden zu einer kurzen Pause ein. Ich laufe aber lieber noch ein Stückchen weiter und genieße von einer der Liegebänke auf der Landschaftsscholle den weiten Blick auf die Stadtsilhouette und den Solling.
Rund zweieinhalb Kilometer lang ist die Strecke auf der Gartenschau von Höxter nach Corvey. Wenn du die Strecke nicht wieder zurücklaufen möchtest oder den tollen Blick vom Wasser auf die Gartenschau erleben willst, kannst du den Weser-Shuttle, der zwischen dem Dampferanleger in Höxter (Höhe Bollerbachmündung) und dem Dampferanleger Corvey auf Höhe des Remtergartens verkehrt, nutzen. Alternativ verbindet auch die Bimmelbahn „Rasender Weserwurm“ die Endpunkte der Gartenschau.
Schon nach wenigen Augenblicken auf der Landesgartenschau vergesse ich die Zeit. Mit dem Gesang der Vögel im Ohr, setzt bei mir automatisch die Entspannung ein. So laufe ich immer meiner Nase nach, kreuz und quer über das riesige Gelände, passiere den Schöpfungsgarten und den kleinen Hafen, streife durch das Festgelände und die Blumenhalle und lande schließlich im Archäologiepark.
Unter meinen Füßen befand sich einst die aufstrebende mittelalterliche Stadt Corvey. Durch ihre eigene Weserbrücke entwickelte sich Corvey schnell zu einer unliebsamen Konkurrentin für das nahegelegene Höxter und wurde schließlich 1265 mithilfe des Paderborner Bischofs komplett zerstört. Heute wird die Geschichte hier dank Augmented Reality auf der Landesgartenschau-App wieder lebendig. Während ich in den verschiedenen kubischen Holzhäusern Hörspielen lausche, die mir die ehemaligen Bewohner und ihre Geschichten näher bringen, projiziert die App die Gebäude zurück in die Landschaft. Sehr spannend!
Ein großes Eis später bereue ich kurz, dass noch nicht Juli ist und das über zwei Hektar große Lavendelfeld mit seinen 58.000 Pflanzen noch nicht in voller Blüte steht. Dafür blühen die Wildblumen an der Flussaue bereits herrlich. Unter dem emsigen Summen und Brummen der Wildbienen und dem Blöken der Lämmer im Ohr spaziere ich immer entlang des Ufers weiter nach Corvey. Das UNESCO-Weltkulturerbe besteht aus einer beeindruckenden Klosteranlage und einem Schloss, die beide eine lange und reiche Geschichte aufweisen. Die ehemalige Benediktinerabtei Corvey wurde im 9. Jahrhundert gegründet und ist eines der bedeutendsten geistlichen Zentren des Mittelalters. Das Schloss, das sich an das Kloster anschließt, stammt aus dem 19. Jahrhundert und beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Kunst und Antiquitäten. Im Innenhof versteckt sich hier ein ganz besonderes Landesgartenschau-Juwel: der Remtergarten, mit seinen duftenden Rosensträuchern, alten Gemüsesorten und Küchenkräutern.
Die Tradition des Anbaus von Nahrungsmitteln reicht bis zu den Zeiten der Mönche im Corveyer Klostergarten zurück und wird nun zur Landesgartenschau wieder aufgegriffen. Auf 800 Quadratmetern gedeihen im Küchenkabinett Gemüsesorten aus dem Mittelalter, der „Neuen Welt“ Amerika und der Gegenwart. Nebenan wachsen im Apothekergarten Arzneipflanzen aus aller Welt, aufgeteilt in verschiedene Felder, je nach medizinischem Nutzen.
Ich lasse meinen Landesgartenschaubesuch mit einem Gläschen Wein und dem Duft der späten Narzissen in der Nase in einem der vielen Liegestühle auf der Geophyten-Wiese ausklingen. Kein Wunder, dass an diesem herrlichen Ort mit seinen Pergolen und Rosenbögen regelmäßig Kulturveranstaltungen wie Lesungen und Konzerte stattfinden.
Gut zu Wissen
Anreise
Die Anreise mit der Bahn ist problemlos möglich. Fahr am besten mit dem Zug direkt zum Bahnhof „Höxter Rathaus“. So landest du direkt zwischen Weserpromenade und Altstadt. Der Eingang zur Landesgartenschau ist von hier, genau wie der Anleger des Wesershuttels, nicht weit entfernt. Höxter liegt an der Regionalbahn-Linie RB84 der NordWestBahn zwischen Holzminden und Paderborn. Mit ihrem Tagesticket oder ihrer Dauerkarte kannst du im Geltungsbereich der Verbundgesellschaft Paderborn/Höxter mbH (VPH) kostenlos zur Landesgartenschau Höxter und zurückfahren.
Die Landesgartenschau
Die Landesgartenschau in Höxter findet vom 20. April 2023 bis 15. Oktober 2023 statt. Die Kassen sind täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet, wobei das Verweilen im Gelände bis zum Einbruch der Dunkelheit gestattet ist. Da der Abschnitt an den Wallanlagen deutlich kleiner als das Gartenschaugelände zwischen Höxter und Corvey ist, empfiehlt es sich, vor 19 Uhr in diesen Teil zu wechseln. Psst: Hier könnte sich das Feierabendticket (gültig ab 17 Uhr) für 5 Euro lohnen.
Ein Tagesticket, das an einem beliebigen Tag eingelöst werden kann, kostet 19,50 Euro für Erwachsene und 17,50 Euro ermäßigt. Kinder und Jugendliche zahlen 2 Euro. Kinder bis einschließlich 2 Jahre können das Gelände kostenlos besuchen.
Übernachten
Ich habe im „Ringhotel Niedersachsen“ übernachtet. Das Viersterne Hotel bietet moderne, gemütliche Zimmer in guter Lage, ein gutes Frühstücksbuffet und einen tollen Wellnessbereich.
Restaurants
Auf dem Gelände der Landesgartenschau gibt es mehrere Möglichkeiten für ein Essen oder einen kurzen Pausensnack. Du kannst aber auch dein eigenes Picknick mitbringen.
In Höxter gibt es besonders in der Fußgängerzone ein großes und vielfältiges Angebot an Restaurants und Cafés. Ich habe sehr gut in der „italienischen Pizza-Manufaktur PINO“, dem Hotelrestaurant des „Ringhotel Niedersachsen“ und der „CafeBar Die Apotheke“ gegessen. Von meinem Stadtführer wurde mir außerdem sehr das „Wirtshaus Strullenkrug“ empfohlen.
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Du hast Lust, noch mehr vom Weserbergland zu entdecken? Dann schau dir meine Beiträge: Urlaub im Weserbergland: Eine Reise auf den Spuren der Geschichte und Fürstlich Entspannen und meine Tipps für ein Wochenende in und um Bad Pyrmont im Weserbergland an.
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Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
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Inhaltsverzeichnis
[…] Weitere Infos und Tipps gibt es hier: die Landesgartenschau 2023 in Höxter. Außerdem war Laura zu Besuch in meiner alten Heimat und ihren Artikel möchte ich euch wärmstens empfehlen: Landesgartenschau Höxter im Weserbergland. […]