Wo Frauen herrschten: Das Schloss der Damen – Chateau de Chenonceau in Frankreich
Langsam schlendere ich durch die lange Platanen-Allee. Immer wieder schweift mein Blick zur Seite. Der angrenzende Waldboden ist von einer leichten, lilafarbenden Decke bedeckt. Tausende Herbstzeitlose verwandeln den Park in eine Märchenlandschaft und veranlassen mich, den Auslöser lieber ein paar Mal zu oft, als zu wenig zu drücken. Es ist noch früh am Morgen und so taucht die aufgehende Herbstsonne das Chateau de Chenonceau am Ende der Allee in warmes Licht.
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Du hast Lust auf noch mehr Frankreich-Inspiration? Möchtest durch die kunterbunte und kreative Stadt Nantes schlendern, Champagner probieren oder die Schlösser an der Loire besuchen?
Über zwei Brücken folge ich der Prachtstraße, immer auf das Wasserschloss zu. Dabei kreuzt mein Weg die beiden Gärten der Anlage. Den einen ließ Diane de Poitiers (1499-1566) anlegen, den anderen schuf Catharina von Medici (1519-1589). Zwei der vielen starken Frauen die Chenonceau prägten.
Chateau de Chenonceau: Wo Frauen herrschten
Die Geschichte vom Chateau de Chenonceau beginnt mit Catherine Briçonnet. Ihr Mann Thomas Bohier erwirbt Stückchen für Stückchen die große Anlage mit den dazugehörigen Ländereien vom, bis über beide Ohren verschuldeten, Vorgänger, lässt 1513 fast alle Gebäude niederreißen und ordnet den Neubau an. Weil Thomas beruflich viel im Ausland unterwegs ist, überträgt er Catherine die Bauaufsicht und Planung. Unter ihrer Führung entsteht in den nächsten Jahren am Ufer des Chers eines der schönsten Loire Schlösser, das heute als architektonisches Meisterwerk gilt.
Als nächste Frau betritt Diane de Poitiers die historische Bühne. Wunderschön, einflussreich, intelligent und von Rang und Namen: Kein Wunder das Diane das Herz von König Heinrich II. im Sturm eroberte. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin soll ihr königlicher Liebhaber Heinrich II. ihr das Schloss geschenkt haben. Frei nach Dianes Motto “Mehr ist besser!” ließ sie das Schloss auf einer Brücke über den Fluss erweitern und einen wunderschönen Garten mit seltenen Nutz- und Zierpflanzen anlegen.
Nach dem Tod von Heinrich II. schlägt die Stunde von Königin Catharina von Medici. Nicht ganz so hübsch wie Diane, dafür aber hoch intelligent und intrigant holt sich die Regentin Chenonceau von ihrer Rivalin zurück. Die „Florentinische Geschäftsfrau“, wie man Catharina angeblich hinter vorgehaltener Hand nannte, richtete im Schloss Partys mit überquellenden Tafeln und voll Verschwendung aus. Auf Dianas Brücke wird auf Anweisung der Witwe eine zweigeschossige Galerie, die dem Anwesen ein komplett neues Gesicht gibt, gebaut. Auch bei der Gartengestaltung möchte die Königin die Rivalin übertrumpfen. So entsteht an der rechten Schlossseite Catharina von Medicis Lustgarten.
Von der Königin, die gleichsam als gebildet und völlerisch, verständnisvoll und rücksichtslos, liebevoll und intrigant galt, erbte Schwiegertochter Louise de Vaudémont, Herzogin von Lothringen den Besitz und hüllt, aus Trauer um ihren ermordeten Mann, das sonst so lebensfrohe Schloss in einen Schleier aus Tränen und Traurigkeit. Vor dem Tod ihres Gemahls versprach sie ihm, das Schloss nie zu verlassen. An diesen Schwur hielt sich die, ganz in weißer Trauerkleidung gekleidete “Weiße-Königin”, ihr Leben lang.
Erst mit Claude und Louise Dupin, die das Schloss 1733 von königlichen Nachfahren erwarben, kehrte die Lebensfreude und Weltoffenheit nach Chenonceau zurück. Unter der großherzigen und hochgebildeten Madame Dupin verwandelte sich das Loireschloss in einen Treffpunkt für Kunstliebhaber, Aufklärer und die geistige Elite Frankreichs. So waren unteranderem Jean Jacques Rousseau, Voltaire, Fontenelle und Montesquieu zu Gast bei Louise. Die bürgernahe Madame Dupin war es auch, die Chateau de Chenonceau in den Wirren der Französischen Revolution vor der Zerstörung schützte.
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Das ich Chenonceau heute fast wie zu Dianas Zeiten erleben darf, ist der vorerst letzten Hausherrin des Schlosses zu verdanken. Mit großzügigen Investitionen stellte die 1836 geborene Marguerite Pelouze den einstigen Glanz des Schlosses wieder her.
Chateau de Chenonceau: (fast) 1000 Räume voller Geschichten
So betrete ich, von der Geschichte vergangener Tage verzaubert, das von der Renaissance geprägte Anwesen und stoße im Vestibül auf Thomas Bohiers und Catherine Briçonnet Spuren. Auf einer mächtigen Eichentür aus dem 16. Jahrhundert steht in schwungvollen Lettern: “S’il vient a point, me souviendra”(Wenn es vollendet ist, wird es an mich erinnern). Recht hatten sie.
Ausgestattet mit einem Audioguide lasse ich mich staunend von Raum zu Raum treiben. Von der kleinen Kapelle, in der Madame Dupin zu Zeiten der Revolution Brennholz stapeln ließ und sie so vor der Zerstörung schützte, betrete ich das Gemach Diane Poitiers, in dem heute Catharina von Medici allgegenwärtig ist. Ein großes Porträt der Königin über dem Bett dominiert den Raum. Nur eine kleine Büste erinnert an die einstige Geliebte des Königs.
Im großen Bankettsaal fühle ich mich an das Zauberschachspiel von Harry Potter erinnert. Vor meinem inneren Auge verwandeln sich die Besucher, die andächtig über den schwarz-weiß karierten Boden der 60 m langen Galerie laufen, in lebendige Schachfiguren. Fasziniert beobachte ich das Schauspiel einige Minuten und lasse meine Gedanken schweifen. Catharina verstand es, das Schloss in eine bunte Spielwiese der Genüsse zu verwandeln. Tagelange Feste mit überbordenden Tafeln, Kostümen und erotischen Einlagen fanden hier statt. Vor dem Fenster auf dem Cher sollen zur Belustigung der Feiernden sogar Seeschlachten veranstaltet worden sein.
Eine ganz andere Aufgabe wurde der Galerie unter Familie Menier im 20. Jahrhundert zuteil. Auf eigene Kosten richteten die damaligen Eigentümer des Loireschlosses während des 1. Weltkrieges im Festsaal ein Lazarett ein, in dem mehr als 2000 Verwundete gepflegt wurden. Später, im 2. Weltkrieg verlief die Demarkationslinie in der Flussmitte des Cher und damit gleichzeitig mitten durch den Saal. Das Haupttor der Galerie lag auf deutscher Seite, die Hintertür der Galerie auf französischer. Mit viel Mut und Courage rettete Familie Menier über diesen Fluchtweg viele Menschenleben.
Über eine schmale Steintreppe steige ich hinab in die ehemalige Küche des Chateau de Chenonceau. Wie im Rest des Schlosses wirkt hier alles lebendig, fast erwarte ich das gleich die Köche den Raum betreten, um das nächste Festessen vorzubereiten. Alte Pfannen und Kupfertöpfe hängen an den Wänden, scharfe Messer stecken in der Anrichte, ein Korb voller Baguette scheint im Ofen auf Hungrige zu warten und den großen Tisch schmücken frisches Obst und überbordende Blumengestecke, die sich wie ein blühender Faden durch das ganze Schloss ziehen und genau abgestimmt auf Atmosphäre, Licht und Ausstattung der Zimmer sind.
Jeder Raum in Chenonceau wird von mindestens einem großen Arrangement geschmückt. “Alle Gestecke und Bouquets tauschen wir mindestens einmal in der Woche aus”, erzählt mir Jean-Francois Boucher, der Florist des Schlosses und ein Meister seines Fachs ist.
Chateau de Chenonceau: die Blumenkönige
Ich besuche Jean-Francois im Blumenatelier, das in einem historischen Nebengebäude untergebracht ist. Zusammen mit zwei Kolleginnen arbeitet der Meister in einem winzigen Raum vollgestopft mit unzähligen Blumen, Werkzeugen und Accessoires, von dem der Potager, der Küchengarten nur ein paar Schritte entfernt ist. Die unzähligen Gemüsesorten und Blumen die hier wachsen, dienen Jean-Francois nicht nur als Inspirationsquelle, immer wieder finden die Schätze aus dem Schlossgarten auch einen prominenten Platz in seinen vergänglichen Kunstwerken.
Mit gespielt verdrehten Augen spottet Nicholas Tomlin der amerikanische Chefgärtner über seinen Kollegen, während ich mit ihm durch “seinen Garten” streife. “Wir zanken uns immer wieder, wer der Blumenherr im Schloss ist. Für mich steht fest, das Jean-Francois mit seinen Blumensträußchen keine Chance gegen meine wunderbaren Parkanlagen und den Küchengarten hat”, sagt Nicholas lachend, während er andächtig über eine mehr als handtellergroße Dahlienblüte streicht.
Restaurant Orangerie
Beim gemeinsamen Essen in der Orangerie des Schlosses wird mir schnell klar, das sich die beiden Männer mehr als schätzen. Das gemeinsame Streben das Schloss zu verschönern und die geteilte Liebe zu Pflanzen ließ die beiden Künstler schnell zu Freunden werden. Im historischen Ambiente sprechen wir bei vorzüglichem Essen lange über Gott und die Welt, philosophieren über Pflanzen und Politik und lassen uns den guten Käse der Region schmecken. Zur Weihnachtszeit ist es im Schloss am schönsten, da sind sich die Beiden einig. Dann erstrahlen überall die prunkvoll geschmückten Weihnachtsbäume und verwandeln Chenonceau in ein Winterwunderland. “Du musst unbedingt noch einmal im Winter zurückkommena ” geben mir die beiden zur Verabschiedung mit auf dem Weg und auch ich bin mir sicher, dass das nicht mein letzter Besuch im Damenschloss war.
Gut zu Wissen
Achtung: Ich habe Chenonceau im September besucht und war teilweise alleine in den Räumen. In der Hauptsaison ist das Besucheraufkommen viel höher. Mit 800000 Besuchern im Jahr, ist das Schloss Chenonceau nach Versailles das am meisten besuchte Schloss Frankreichs.
Öffnungszeiten
Das Schloss ist das ganze Jahr über täglich geöffnet. Genaue Öffnungszeiten könnt ihr hier finden.
Führungen & Audioguide
Führungen werden in insgesamt 16 Sprachen, darunter auch Deutsch, angeboten. Der Audioguide ist in 11 Sprachen erhältlich.
Eintrittspreise
(beinhaltet den Eintritt in das Schloss, den Garten und die Galerien): Erwachsene: 13 € (Mit Audioguide & IPod touch: 17,50 €) Kinder (7-18 J.) und Studenten: 10 € (Mit Audioguide & IPod touch: 14 €)
Besuch mit Tieren
Für Hunden und Katzen 😉 ist der Zutritt grundsätzlich erlaubt. Sie müssen in den Gärten jedoch an der Leine geführt werden. Im Schloss sind ausschließlich kleine Hunde erlaubt, die in einem Korb oder auf dem Arm getragen werden können.
Anfahrt
Das Schloss von Chenonceau befindet sich in der Touraine, 214 km entfernt von Paris und 34 km entfernt von Tours. In der Nähe des Schlosses befindet sich ein kostenloser Parkplatz. Der Bahnhof SNCF befindet sich nur 400 Meter von den Kassen entfernt.
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Immer auf der Suche nach geheimnisvollen Orten …
Autorin
Laura Schneider
Laura Schneider ist das Gesicht hinter Herz an Hirn. Sie schreibt über Herzensdinge. Dinge die man leider viel zu oft verpasst, weil man zu viel über sie nachdenkt, sie einem zu groß, zu peinlich oder zu anstrengend erscheinen. Das sind aber genau die kleinen Alltagsabenteuer die glücklich machen und einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Mit „viel Spaß inner Backe“ macht sie sich auf die Suche nach dem Glück. Das findet sie auf Reisen, in gutem Essen, beim Werkeln oder Lesen.
Sehr schöne Eindrücke und klasse Fotos!
Schöne finde ich auch, dass kleine Hunde mit ins Schloss dürfen. Selbstverständlich ist das leider nicht.
Viele Grüße, nossy